Hobby Millionen Deutscher ohne Zukunft?
Wie der Wintersport unter dem Klimawandel leidet
Vergangenheit und Realität
Skifahren, Langlaufen, Rodeln – Millionen Menschen sind begeisterte Wintersportler. Jeder träumt von Pulverschnee, leichten Minusgraden und idealen Pistenbedingungen. Doch die Realität sieht anders aus: Kunstschnee, Frühlingstemperaturen und Steine soweit das Auge reicht. Welche Auswirkungen hat der Klimawandel jetzt schon auf Liftbetreiber, Hüttenwirte und Wintersportbegeisterte und was bringt die Zukunft?


Zillertal 1. Februar 2020 – Ein einsames weißes Band schlängelt sich durch grüne Wiesen und Wälder. Die silbernen Rohr der Schneekanonen ragen in den Himmel, um dem Frühling zumindest noch eine zehn Meter breite Piste – ein Symbol des Winters – abzutrotzen. Auf welch verlorenem Posten die künstlichen Beschneiungsanlagen stehen, zeigt ein Blick auf das Thermometer: zwölf Grad Celsius – plus wohlgemerkt. Die ersten Mountainbiker haben die neue Saison bereits begonnen und auch Kinder rauschen auf der Sommerrodelbahn ins Tal. Ein einzelner Skifahrer zieht seine Schwünge auf der Piste, er trägt Jeans, ein langärmliges T-Shirt und dünne Handschuhe. Bei einem genaueren Blick auf die Piste erkennt man die vielen braunen Stellen und Steine, die durch den Kunstschnee kaschiert werden sollen.
Noch vor 20 Jahren lagen hier zu dieser Jahreszeit ein Meter Schnee und die Gradzahl des Thermometers hatte ein anderes Vorzeichen. Menschenmassen drängten sich jeden Morgen von den Ticketkassen weiter zu den Gondeln und mittags grenzte es an ein Wunder, einen Sitzplatz auf einer der Skihütten zu bekommen.
Wie dem Zillertal erging es dieses Jahr vielen Skigebieten im nördlichen Teil der Alpen – konkret Bayern und Tirol. Es schneite zu wenig, die Temperaturen waren zu hoch und die Anzahl und Stärke der Stürme nahm deutlich zu. All das führte zu einer der schlechtesten Wintersaison aller Zeiten – Liftbetreiber, Hüttenwirte, Skischulen und Hoteliers verloren Millionen an Einnahmen und Wintersportler kamen frustriert und enttäuscht aus ihrem Urlaub zurück.
Der Klimawandel in Zahlen
Beim Thema Klimawandel müssen wir zwischen zwei wichtigen Begriffen unterscheiden. Das Wetter ist nur eine Momentaufnahme, das Klima stellt den Wettertrend über mehrere Jahrzehnte dar. Um den Klimawandel in den Wintermonaten beschreiben zu können, ziehen wir den Artikel des Meteorologen Fabian Murnau zu Rate, der übersichtliche Grafiken zur Temperaturentwicklung seit dem Beginn der Wetteraufzeichnungen erstellt hat.
Beim Blick auf die durchschnittliche Jahrestemperatur in Deutschland zeichnet sich ein erschreckendes Bild. Unter den Top-Tender wärmsten Jahre in Deutschland befinden sich neun 2000er Jahre. 2018 liegt dabei auf Platz eins, dicht gefolgt von 2019 auf dem dritten Rang. Um die Bedeutung für den Wintersport besser zu visualisieren, beschränken wir uns jetzt auf die Wintermonate Dezember, Januar und Februar. 2020 war dabei der zweit wärmste Winter aller Zeiten.
Die Messwerte auf Deutschlands höchstem Berg, der Zugspitze, spiegeln den Trend ebenso wider. Die drei wärmsten Jahre seit Beginn der Wetteraufzeichnungen waren dort 2011, 2015 und 2018. Analysieren wir die Temperaturen auf der Zugspitze im vergangenen Jahr genauer, zeigt sich, dass die durchschnittliche Monatstemperatur nur im Mai unter dem Mittel seit Beginn der Wetteraufzeichnungen lag – elf Monate waren wärmer.
Wetter Extrema als Folgen
Durch die höheren Temperaturen steigt auch die Schneefallgrenze, was besonders in den tieferen Lagen wie dem Bayerischen Wald oder dem Schwarzwald für Probleme sorgt. Mit Blick auf die Niederschlagswerte in den Bergen seit Beginn der Wetteraufzeichnungen, lässt sich noch ein ganz anderes Phänomen erkennen. Schneite es früher in den Wintermonaten noch recht konstant über einen längeren Zeitraum, so fallen heute wahre Schneemassen in kürzester Zeit. Jüngst im November sorgten zwei bis drei Meter Neuschnee in nur einer Woche in Österreich, Italien und Frankreich für Lawinen und Felsstürze. Tausende Menschen waren in Dörfern eingesperrt, viele sogar ohne Strom – die Schäden waren immens.
Wie Greenpeace berichtet, gibt es durch den Klimawandel auch deutlich mehr Stürme. Prominentestes Beispiel ist Sturmtief Sabine, welches erst im Februar den Betrieb in unzähligen Skigebieten für mindestens einen Tag lahmlegte. In Skigebieten wie Wildhaus oder dem Feldberg zerstörte der Sturm sogar ganze Skilifte, wodurch den Betrieb nicht nur für etliche Wochen ausfallen musste, sondern auch zusätzliche Reparaturkosten entstanden sind.
Auswirkungen für Liftbetreiber, Skischulen und Gastwirte
Mehliskopf – Liftbetreiber Andreas Kern konnte die Lifte seines Skigebiets in der Saison 2018/2019 nur 51 Tage lang laufen lassen, sechs Tage weniger als im Durchschnitt, nicht einmal halb so viele wie im Rekordjahr 2008/2009 mit 132 Betriebstagen. Wirtschaftlich ist das Wintersportgeschäft im Schwarzwald schon lang nicht mehr, deshalb setzt Kern vermehrt auf Sommeraktivitäten wie eine Bobbahn, einen Klettergarten oder Downhill-Tracks. Für die lokalen Skiclubs und Skischule bringt das natürlich nicht viel, sie müssen immer mehr Kurse absagen.Das berichtete er in einem Interview vom 4. Februar 2020.
Freudenstadt – Seit 2012 haben sich die Betriebstage für die Liftbetreiber Klaus Erich Zimmermann und Ingo Schick halbiert und wenn zu Ferienzeiten dort kein Schnee liegt, halbieren sich die Einnahmen noch einmal. Dem gegenüber stehen steigende Betriebskosten und viel Geld für die Anschaffung oder Reparatur von Pistengeräten. Rentabel ist das nicht. Auch wenn die Liftbetreiber ihre Skigebiete auf keine Fallschließen wollen, müssen Sie dennoch mit anderen Quellen Geld einnehmen. Zimmermann bringt die aktuelle Lage gegenüber den Stuttgarter Nachrichten auf den Punkt: „Ich würde heute keinen Lift mehr bauen.“
Pernitz – Dass es auch noch schlimmer geht, zeigt ein Fall aus Österreich. Die Lifte des Skigebiet Unterberg liefen diese Saison für exakt null Tage – nach 2015 schon der zweite Totalausfall in kürzester Zeit. Der Liftbetreiber Erich Panzenböck muss die Fixkosten für die Instandhaltung der Liftanlagen mit seinen Einnahmen durch ein Café und sein Planungsbüro tragen. Die beiden Skihütten, die Skischule oder den Skiverleih nahmen gar nichts ein. Aktuell bleibt Panzenböck im Interview mit DerStandard noch optimistisch: „Aber wenn zwei, drei Winter hintereinander zu bleibt, dann wird es extrem schwierig.“

Sebastian Schenzinger
25 aus Augsburg
Skifahren – ein Teil meines Lebens
Skifahren ist für mich nicht nur ein Hobby, es bedeutet Familie, Freiheit, zu Hause sein. Seit ich denken kann, ist meine Familie jedes Jahr in der ersten Osterferienwoche zum Skifahren ins Zillertal gefahren. Doch nicht nur meine Eltern und Geschwister waren dabei, auch meine Großeltern, meine Tante und Onkel und meine beiden Cousins. Es war abgesehen von den Weihnachtsfeiertagen und Geburtstagen das größte Familienereignis des Jahres. Jedes Jahr ging es in die gleiche Ferienwohnung – Hofer’s Wiesenheim. Es war wie ein zweites Zuhause, für eine Woche im Jahr.
Ich weiß noch wie ich am 7. April 2006 ganz hibbelig vor meiner Englischklausur saß und mich kaum konzentrieren konnte vor lauter Vorfreunde, endlich wieder in das Tal zu fahren, in dem ich das Skifahren gelernt habe. Dort angekommen begann ein eher unklassischer Urlaub, denn alles war von vorne bis hinten durchgeplant. Um Punkt sieben Uhr gab es Frühstück, dann mussten die Kinder beim Freikratzen des Autos und dem Einladen der Skisachen helfen. Nur fünf Minuten Verspätung am Morgen mochten eine halbe Stunde längere Wartezeit an der Skigondel bedeuten. Eine Mittagspause gab es nicht, stattdessen belegte Brote während der Liftfahrt – die kostbare Zeit des Skifahrens mussten wir schließlich bis auf die letzte Minute ausnutzen. So ging es auch erst mit der letzten Gondel wieder ins Tal.
2014 schließlich fuhren wir ein letztes Mal zu unserem Skiurlaub nach Zell am Ziller. Neben der Skiausrüstung befanden sich auch Wanderschuhe und Kletterausrüstung im Kofferraum. Größer als noch vor nur acht Jahren konnte der Kontrast auch im Skigebiet nicht sein. Nahezu leere Parkplätze und Skipisten, sowie grüne Wiesen und graue Felsen. Von den Menschen- und Schneemassen der vergangenen Tage keine Spur mehr.
2020 erinnern einzig und allein die Fotos im Treppenhaus meiner Eltern an die wunderschönen Tage, die ich im Zillertal verbringen durfte. Und während ich so in Erinnerungen schwelge, schiebt sich immer mehr ein unschöner Gedanke in den Vordergrund: Werde ich bei meinen eigenen Kindern einmal in strahlende Gesichter blicken können, wenn sie ihre ersten Kurven auf Ski meistern. Werden Sie sich einmal genauso auf den jährlichen Skiurlaub freuen dürfen, wie ich es einst getan haben. Oder sind die Tage des Wintersports durch den Klimawandel gezählt?

Paul Karlshöfer
26 aus Grenoble
Ein Kommentar
Was war Dein schönstes Kindheitserlebnis in Bezug auf den Wintersport?
Mein beeindruckendster Moment als Kind in den winterlichen Bergen war zugleich mein erster Versuch mit Schneeschuhen einen Berg zu ersteigen. Bis dahin hatte ich die Berge nur auf Pfaden und Pisten gekannt. Ich kann mich gut an die Freiheit erinnern, einen eigenen Weg zum Gipfel zu spuren. In dem frischen Pulverschnee kamen mir die Allgäuer Berge wie eine Expedition in der Antarktis vor. Im Abstieg zeigte mir mein Vater wie man auch mit Schneeschuhen ähnlich wie mit Skiern gleiten kann. Das hat allerdings erst nach ein paar weiteren Wanderungen wirklich geklappt (lacht). Dennoch war es ein unvergesslicher Tag in einem Wintermärchen auf knapp 2000 Höhenmeter in den deutschen Alpen.
Wie hat sich Dein Wintersporterlebnis durch den Klimawandel bis heute verändert?
Man sagt, den Klimawandel spürte man in Europa am deutlichsten in den Bergen. Seit meinen Anfängen auf den Schneeschuhen habe ich mich in einigen alpinistischen Disziplinen versucht. Vor allem bei Hochtouren in vergletscherten Gebieten kann man oft dramatische Rückgänge der Eisschichten sehen, verglichen zu Tourenberichten, die nur einige Jahre zurück liegen. Meist hat das zur Folge, dass Routen deutlich anspruchsvoller werden, wenn man nicht auf Eis, sondern auf abgeschliffenen Felsen vorrücken muss. Auch Klassiker sind betroffen, wie beispielsweise die Südwand der Grandes Jorasses, die seit einigen Jahren nicht mehr wie ursprünglich machbar ist.
Glaubst Du, dass Kinder in 20 oder 30 Jahren Dein Kindheitserlebnis auch noch erleben können oder dass es bis dahin keinen Schnee mehr geben wird?
Ich glaube, dass es auch in 30 Jahren noch Schnee in den Bergen geben wird. Doch viele Gletscher werden dann viel von ihrer heutigen Mächtigkeit verloren haben. Berge schaffen sicherlich eine gewisse Verbundenheit zur Natur. Es wäre schade, wenn es die zukünftige Generation nicht auf die gleiche Weise erfährt. Schließlich kann man nur schützen, wozu man sich auch verbunden fühlt.

Florian Multhammer
34 aus München
Die Saison hat sich nach hinten verlagert und ist kürzer geworden. Man verliert früher die Lust am Skifahren, da die Temperaturen sehr schnell frühlingshaft sind.
Wintersport wird in 20-30 Jahren nur noch in hochalpinen Skigebieten möglich sein.

Moritz Multhammer
18 aus München
Heute werden die Pisten bereits nur noch künstlich beschneit. Der Naturschnee macht nur noch in den hochalpinen Skigebieten einen vergleichbar großen Anteil aus. Die jahrelange Tradition des Skifahrens wird auf Grund der schwierigeren Bedingungen abgeschwächt. Aber das Skifahren wird nie ganz aus unseren Köpfen verschwinden.

Andi Prielmaier
aus Hausham
Das romantische Gefühl vom Winterfeeling, Powdern und Schneesturm ist für mich eine Lebensqualität und ein wichtiger Kontrast zum warmen Sommer. Ohne einen richtigen Winter würde mir was fehlen
Lange, kalte Perioden werden kumuliert bei uns immer weniger. In meiner Kindheit erinnere ich mich an lange, kalte Perioden mit -10 Grad. Das ist heute eher eine Seltenheit in den Voralpen.

Janosch Mannel Gurian
25 aus Berlin
Das Gefühl hat sich verändert. Irgendwie geht man schon mit der Erwartung in den Skiurlaub, dass man unter 2000 Metern Höhe seltener schneebedeckte Pisten sieht.
In Zukunft wird das Skifahren wohl ein exklusiver Sport für wohlhabende Menschen werden.

Andreas Thieme
37 aus München
Es gibt im Tal weniger Schnee. Das ist einfach nur traurig zu sehen. So kommt oft nicht die Stimmung auf. Ein Winter muss in meinem Kopf weiß sein.
Vermutlich wird Skifahren noch exklusiver, als es eh schon ist. Es wäre sehr schade, wenn dieses Erlebnis irgendwann nicht mehr möglich ist

Betinna Seidl
aus München
In 20 bis 30 Jahren wird es normal sein, dass es nicht mehr schneit. Heute denk man sich noch: Wie schön war das damals als Kind. Und wie schön wäre es, wenn es nochmal richtig schneit. Schnee wird es in Zukunft – wenn überhaupt – nur noch ganz sporadisch geben. Das macht mich sehr traurig.