Acht Millionen Tonnen Plastik landen jährlich im Ozean. Wie sieht die Welt in Zukunft aus, wenn wir jetzt nicht handeln?
„Was macht der weiße Typ da und warum sammelt er Müll auf?“ Eine Frage, die Christoph Schulz oft zu hören bekommt. Seit drei Monaten lebt er nun auf Bali – ein bisschen Urlaub, ein bisschen Erkunden und das wichtigste: die CleanUps. Jeden zweiten Tag sammelt er mit einer Gruppe Freiwilliger Plastikmüll an den Stränden auf – meist von ihm und seiner Umweltorganisation CareElite organisiert. Anlass gibt es dafür genug: „Hier ist überall Plastikmüll. Ein schlechtes Recyclingsystem und Bildungsmangel“ sind Gründe für die Ansammlung von Müll. Die Menschen wissen nicht, was mit ihrem Müll passiert und welche Schäden er anrichten kann. CleanUps werden mittlerweile zum Event, es ist wie eine Art „auf die Schulter klopfen, man kann stolz auf sich sein, etwas für die Umwelt getan zu haben“.

Nur der Anfang?
300 Millionen Tonnen Plastik werden jährlich produziert, bis zu 12,7 Millionen Tonnen davon landen im Meer. Der Ozeanograph Charles J. Moore berichtete 1997 als erster vom North Pacific Garbage Patch – einem Strömungssystem so groß wie Mitteleuropa, das treibendes Plastik an der Wasseroberfläche konzentriert. Vier Partikel pro Kubikmeter. Sehr eng liegen die Partikel (noch) nicht, das Ausmaß ist aber bereits heute ein weitaus größeres: 99 Prozent des Plastikmülls befinden sich, für uns unsichtbar, schwebend im Wasser oder am Meeresboden. Was wir sehen ist nur die Spitze des Müllbergs.
Jeder fünfte Fisch leidet an Krebs – so lautet eine Diagnose der Meeresregionen entlang der britischen Inseln. Mehr als eine Million Seevögel und 100.000 Meereslebewesen sterben jährlich wegen Plastikmüll.
Plastik in Tieren: Eine neue Maßeinheit
Das Verhältnis „Plastikteile pro Vogelmagen“ ist bereits eine verbindliche Weise, den Grad der Plastikverschmutzung zu messen. Diese Art der Vorgehensweise entstand durch die Begutachtung der Mägen verstorbener Eissturmvögel. Im Zeitraum von fünf Jahren (2002 bis 2007) befanden sich in der nordwestlichen Nordsee im Durchschnitt etwa 20 Teile pro Magen, bei Eissturmvögeln im Ärmelkanal waren es bereits durchschnittlich 60 Plastikteile. Heute liegt der Rekord bei 1660.
Tonnen Plastik landen jährlich im Meer

„Wenn wir weitermachen wie bisher, könnte 2050 mehr Plastik als Fisch in den Ozeanen schwimmen.“ Wiebke Schröder ist Campaign Manager bei der internationalen Verbraucherorganisation SumOfUs und möchte vor allem eines: „Wir fordern die Europäische Kommission auf, das Produzieren und Verbrauchen von Plastik zu begrenzen. Außerdem wollen wir, dass Plastik giftfrei hergestellt und viel häufiger recycelt wird.“
Plastik wird dann zu einem gefährlichen Produkt, wenn es in die Umwelt und ins Meer gerät und dort zerfällt. Brechen die einzelnen Fragmente auf, können Zusatzstoffe abgegeben werden, Mikroplastik entsteht.
Plastik ist mittlerweile überall
Nicht nur durch das Verwittern von Plastiktüten und -flaschen, die an Stränden hinterlassen werden, gelangt Plastik und damit das gefährliche Mikroplastik ins Meer: Partikel aus Kunstfasern aus Kleidung und Peelingkügelchen aus Kosmetikprodukten schaden nicht nur den Meereslebewesen, sondern auch dem Menschen. Tiere fressen Plastikartikel – weil sie sie mit Nahrung verwechseln oder über andere kleine Lebewesen, wie Krill und Zooplankton. Diese Fische essen wir früher oder später selbst – und damit auch Mikroplastik. In einem Kilogramm Garnelen lassen sich im Schnitt 600 Mikroplastikfasern finden. Krebs und Unfruchtbarkeit sind nur zwei der möglichen Folgen von Mikroplastik im Körper.
„Man muss die Auswirkungen von Plastik zu spüren bekommen!“
In Bali werden Plastiktüten ab 2018 verboten – Deutschland ist noch weit entfernt von dieser Entwicklung. Hier werden pro Minute 8301 Plastiktüten benutzt. „Um etwas zu erreichen, muss man die Auswirkungen zu spüren bekommen. Verschmutzte Flüsse, verstorbene Tiere, unzugängliche Strände“, sagt Christoph Schulz. Damit sich wirklich etwas verändern kann, muss „der Bezug zur Natur erst wieder hergestellt werden“. Ein erster Ansatz ist gemacht: Die Menschen werden offener. Ein bezahltes Recyclingsystem motiviert sie, Müll zu sammeln, Schulen bringen Kindern von klein auf die Dringlichkeit nahe. Wenn sich nichts ändert, erleben wir in spätestens 10 Jahren nicht nur das Aussterben vieler Tierarten, sondern einen drastischen Rückschritt im Gesundheitswesen.
Quellen: Arte, wissenschaftsjahr.de, Die Zeit, CareElite, SumOfUs
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