Die Plastikhasser

 

Von Wiebke Trapp

 

Stefanie Frisch findet überall Plastik. Es ist sogar im Essen. Sie fürchtet um ihre Gesundheit und meidet das Material, wo es nur geht. 

Den frei schwebenden Handtuchhalter oder das aus Naturstein gemeißelte Waschbecken in der Gästetoilette gibt es nirgendwo zu kaufen. Genauso wie die ledernen Türgriffe, mit denen die Holzschränke geöffnet werden. Im Haus der Frischs in Mühldorf am Inn finden sich viele Details wie diese. Die Hausherrin will alles selbst machen.

Das Faible hilft, Plastik zu ersetzen. Am liebsten würde Stefanie Frisch das mit allem machen. Sie experimentiert mit Alternativen für Alltägliches. „Es geht mir um meine Gesundheit“, sagt sie. Wasch-, Putzmittel und Zahnpasta produziert sie inzwischen selbst, stellt große Mengen her und füllt in Gläser ab.

Die plastikfreie Alternative klappt nicht immer

Bei anderen Produkten ist es schwierig. Den Klarspüler der Geschirrspülmaschine hat sie plastikfrei ersetzt,  für das Pulver sucht sie noch nach einem Rezept. Selbst genähte Kleidung aus fair gehandelten Stoffen ist das neueste Projekt. „Ich möchte mit meiner Lebensweise niemandem schaden“, sagt sie. Der individuelle Stil fällt auf, findet Bewunderer. Sehr oft wird sie gefragt, wo sie die Sachen her hat. Sie startet einen Blog. „Wildeshuhn.de“ zeigt, wie es geht.

Der Name des Blogs passt. Hühner sind die Lieblingstiere der 31-jährigen Lehrerin. Obwohl sie  „Plastikaussteigern“ viele Tipps bietet, hat die erst ein paar Monate alte Webseite noch keine große Reichweite entwickelt. Gründerin Frisch stört das nicht. Es ist nicht ihre Haupteinnahmequelle und soll es auch nicht werden. „Selbst nach einem Lottogewinn würde ich weiter in die Schule gehen“, sagt sie.

Die Inneneinrichtung bei Stefanie Frisch ist ein Statement gegen Standard: "Selfmade" Handtuchhalter

Statement gegen Standard: „Selfmade“ Handtuchhalter

Individuelle Schrankgriffe aus Leder

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Von Zuhause in die Welt: Umweltaktivist und Blogger

Bei Christoph Schulz im knapp 600 Kilometer entfernten Berlin liegen die Dinge anders. Was bei Frisch wie eine natürliche Entwicklung klingt, ist bei ihm Weltanschauung. Der Plastikwahnsinn hat den gelernten Banker mit Schwerpunkt Online-Marketing zum Umweltaktivisten und Blogger gemacht.

Er lebt von „CareElite.de“. Anfang 2017 hat er die Seite mit zwei Freunden gegründet. Auch er produziert plastikfreie Produkte, vertreibt sie im Online-Shop seines Blogs und setzt mit weltweit organisierten „Clean Ups“ an den Wurzeln des Problems an. „Ich will etwas verändern in der Welt“, sagt er. Der weltweite Plastikmüll wächst stetig.

Müll einsammeln, wo er nicht interessiert

Auf Sri Lanka und Bali war der 29-Jährige schon mit dem Stoffeissack an den Stränden unterwegs, hat den Müll eingesammelt und Einheimische wie Touristen angesteckt. Die Guerillataktik funktioniert, die Reichweite seines Blogs ist so kurz nach dem Start ordentlich. 1.000 Besucher klicken sich täglich auf die Seite, 600 Menschen und Organisationen auf der ganzen Welt initiieren inzwischen „Clean-Ups“.

Sie machen das in Ländern, wo Umweltschutz ganz unten auf der Prioritätenliste steht. „80 Prozent des Plastikmülls in den Meeren kommt aus südostasiatischen Ländern“, sagt Schulz, „ das sind halt Entwicklungsländer“. Ohne Umwelt-NGOs vor Ort, die ihm mangels staatlicher Instanzen helfen, den Müll endgültig durch Recyling zu entsorgen, wären die ganzen Aktionen sinnlos.

Geht es nun ohne- oder nicht?

Ganz ohne Plastik geht es allerdings nicht. Schulz vertreibt seine Produkte über Amazon, der Handelsriese bestimmt die Verpackung. Nächstes Jahr soll aber der plastikfreie Versand über den Shop funktionieren. Auch Stefanie Frisch kommt nicht ganz ohne aus. Waschmaschine, Handy und Laptop gehören zu den Errungenschaften des westlichen Lebensstils – auch zu ihrem. Kaum jemand will und kann vor allem darauf verzichten. Beide sagen aber, sie konsumieren anders, seit sie „ohne“ leben. Gekauft wird nur noch, was wirklich gebraucht wird – natürlich möglichst ohne Kunststoff.

Plastikproduktion in Deutschland im Jahr 2016 (in Mio. Tonnen)

Umsatz der kunststoffproduzierenden Industrie in Deutschland 2016 (in Mio. EUR)

Quelle: Jahresbericht 2016 Plasticseurope Deutschland e. V. .

Umweltaktivist Christoph Schulz in Action

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