Klimawandel in Australien: Augenzeugen berichten
Von Nicole Wagner
„Die Verleugnung des Klimawandels ist wahrhaft beängstigend“
Peter Grace (56) wurde in Neuseeland geboren und lebt seit 1987 in Australien. Er entdeckte bereits mit sieben Jahren seine Leidenschaft für das Segeln und arbeitete über 20 Jahre lang im Bundesstaat Queensland. Unter anderem ermöglichte er es Touristen als Kapitän des Segelbootes „Solway Lass“, die Schönheit der Whitsunday Islands und des Great Barrier Reefs hautnah mitzuerleben.
Bildquelle: Peter Grace / Oliver Erichson
Wie haben Sie die australische Landschaft erlebt, als Sie nach “Down Under” zogen?
Peter Grace: Ich war fasziniert von der Schönheit des Meeres, der Vögel, der Sonnenuntergänge, des absolut unberührten Ozeans. Eine meiner großartigsten Erinnerungen ist ein Ausflug auf den Pazifik, umgeben von Tausenden von Delfinen. Die Begegnung dauerte nur circa 15 Minuten. Ich erinnere mich, wie ich mit Freunden auf dem Deck saß, begeistert davon, wie viel Glück wir hatten, solch ein Phäomen miterleben zu können.
Wie würden Sie das Great Barrier Reef (GBR) beschreiben?
Grace: Die Erinnerung an meinen ersten Tauchgang am Swain Riff am südlichen Ende des GBR ist heute genauso klar wie damals. Ich hatte nie eine derartige Vielfalt gesehen. Die Größe und Farben der Fische und Korallen waren unglaublich. Damals durfte in dieser Gegend nicht kommerziell gefischt werden und die Artenvielfalt reflektierte das. Meine erste Fahrt entlang der Küste nahe Kimberley war 1989 eine Lehrstunde in Sachen Entlegenheit. Der Bergbau, Tourismus und die Fischerei kamen erst Jahre später in diese Region und wir mussten unseren Diesel-Verbrauch gut abschätzen. Eine Rettung wäre fast unmöglich gewesen, wenn wir Probleme bekommen hätten. Man fühlte sich wahrhaftig wie ein Pionier.
Wo und wann haben Sie zum ersten Mal Auswirkungen des Klimawandels bemerkt?
Grace: Ich hörte den Begriff “globale Erwärmung” zum ersten Mal 1999. Ich arbeitete als Deckhelfer und brachte Touristen nach Lady Musgrave Island. Ich bemerkte, was am Riff geschah. Da ich die Insel seither viele Male besucht habe, kann ich definitiv einen Verlust von Korallen und Umweltschäden feststellen.
Foto: Peter Grace war 2017 Kapitän der 1902 in den Niederlanden gebauten „Solway Lass“ – einem Zweimastschoner, auf dem Touristen die Whitsunday Islands erkunden können.


Zwei heiße Sommer trugen sehr zur Bleiche bei und der Schaden, den unachtsame Bootsfahrer verursachen, die ohne Rücksicht auf die Korallen vor Anker gehen, ist sichtbar. Es kam aber noch schlimmer. Bis 2016 erhöhte sich die Wassertemperatur während der Sommermonate und die Korallen standen unter Stress. Wissenschaftler nahmen an, sie würden sich erholen, aber der nächste Sommer war noch heißer und länger. Das Endresultat war, dass die meisten der flachen Riffe in der nördlichen Region, circa 50 Prozent in der Mitte und bis zu 15 Prozent im Süden ausblichen.
Wie haben Sie Zyklon Debbie erlebt, als er 2017 Queensland traf?
Grace: Moderne Vorhersagesysteme warnten gut vor seinem Kurs und seiner Intensität, aber es war dennoch ein Schock. Die Winde und Fluten waren ungeheuerlich und der entstandene Schaden sprach für sich. Airlie Beach hatte zwei Wochen lang keinen Strom und kein Wasser und ich habe einen Freund, dessen Hausdach immer noch nicht komplett repariert ist.
Was haben Sie beim Anblick der verheerenden Buschbrände empfunden?
Grace: Ich sah sie am Fernsehen und mir taten diese armen Menschen leid, die keine Zeit zum reagieren hatten und alles verloren. Heute hören wir von den psychologischen Folgen, die sie auf die Bevölkerung haben. Der Anstieg der Selbstmordrate bricht einem das Herz. Auch nach all diesen Katastrophen will die Regierung keine Verbindung zum Klimawandel anerkennen.
Wie kann Australien das Problem der Klimaerwärmung angehen?
Grace: Persönlich würde ich gerne weniger Kohlebergbau sehen. Ich weiß, wie viele Jobs verloren gingen, aber diese Menschen könnten sicher in einer anderen nachhaltigen Industrie weitergebildet werden. Ich weiß, dass niemand Veränderungen mag. Es wird immer Gewinner und Verlierer geben und niemand will auf der Verliererseite stehen.
Möchten Sie noch etwas loswerden?
Grace: Ich fühle mich privilegiert, viel von der Welt der Meere gesehen zu haben. Meine Leidenschaft für das Segeln hat mir auf der ganzen Welt großartige Erlebnisse verschafft. Ich bin sehr froh, vieles in einem relativ unveränderten Zustand gesehen zu haben. Ich befürchte, dass das Beste hinter uns liegt. Ich verzweifle angesichts des fehlenden Willens der Regierung, unsere Umwelt zu schützen und die Verleugnung des Klimawandels ist wahrhaft beängstigend. Ich bereue, in meinen jüngeren Tagen nicht mehr getan zu haben. Ich bin stillschweigend stolz auf die Greta Thunbergs unserer Welt und sehe, dass es Hoffnung gibt. (wag)
Zyklon Debbie:
2017 verwüstete er Queensland
Im März 2017 traf der Tropensturm der Stufe vier auf die australische Ostküste. Auf seinem Weg erreichte er Spitzengeschwindigkeiten von 270 km/h. Auf den Whitsunday Islands und in Airlie Beach hinterließ Debbie eine Schneise der Verwüstung.
(Quelle: Welt)
„Im letzten Sommer regnete es fünf Monate lang nicht“
Mish Simpson (34) ist von Beruf Data Scientist und lebt in Onkaparinga Hills, South Australia – 45 Autominuten südlich von Adelaide. Gemeinsam mit ihrem Mann gründete sie 2018 die Hilfsorganisation Southern Koala Rescue, nachdem sie durch eine Fortbildung in Tierwissenschaften ihre Liebe zu wilden Koalas wiederentdeckte. Die oberste Priorität ihrer Organisation, die sie zum Teil aus eigener Tasche finanziert, ist das Wohl der Tiere.
Sie wollen Southern Koala Rescue unterstützen? Hier können Sie spenden!
Bildquelle: Mish Simpson / Southern Koala Rescue
Was mögen Sie an Ihrer Arbeit?
Mish Simpson: Ich arbeite gerne mit leicht gefährlichen Tieren. Wilde Koalas sind nicht so freundlich wie die im Zoo. Sie haben Krallen und Zähne, die schwere Verletzungen verursachen können. Ich mag es, die andere Seite der Koalas kennenzulernen. Wenn man sie rettet, sind Koalas meistens verängstigt und versuchen, sich zu schützen. Sie verstehen nicht, dass man ihnen helfen will. Wenn sie aber Zeit in deiner Obhut verbringen, dann lernen sie, dir zu vertrauen. Es ist unglaublich, dass man eine Bindung zu ihnen aufbauen kann, sie aber sobald man sie frei lässt wieder zum wilden Koala werden.
Wie hat sich die australische Landschaft seit ihrer Kindheit verändert?
Simpson: Häuserblocks haben Parks ersetzt und viele große Bäume wurden geopfert. Die natürliche Umgebung scheint viel trockener zu sein und den Bäumen macht das zu schaffen. Einheimische Spezies sind durch neue Pflanzenarten bedroht. Die veränderte Umwelt hat außerdem einen Effekt auf die Tierwelt, da ihr Lebensraum zerstückelter ist, weshalb sie ein größeres Risiko eingehen, wenn sie sich fortbewegen.
Wann haben Sie Veränderungen durch den Klimawandel bemerkt?
Simpson: In den vergangenen drei Sommern wurde der Klimawandel dank extremer Hitze spürbar. Im letzten Sommer regnete es fünf Monate lang nicht. Mehr Koalas landeten wegen Dehydrierung oder Buschfeuern in unserer Obhut.
Foto: Aus der Luft waren im Bundesstaat Victoria dutzende Brandherde zu erkennen.


Foto: Mish Simpson mit Koala Harry.
Wie haben Sie die verheerenden Buschbrände erlebt?
Simpson: Wir halfen in der Nähe bei der Brandbekämpfung und retteten die gefährdeten Koalas. Es war definitiv anders als unsere normalen Rettungen. Ein Koala wurde in einem Baum entdeckt, dessen Stamm noch aktiv brannte. Leider war es nicht sicher für uns, zu ihr zu gelangen, also ließen wir unser Equipment bei den Anwohnern – für den Fall, dass sie nachts herunterkletterte. Am nächsten Tag kamen wir mit ausgebildeten Baumkletterern zurück und konnten sie herunterholen. Wir halfen auch ein paar Mal bei der Belieferung von Kangaroo Island. Die Verwüstung dort war etwas, an das ich mich für den Rest meines Lebens erinnern werde.
Kennen Sie Menschen, die mit den Konsequenzen der Klimaveränderung kämpfen?
Simpson: Unsere Bauern und Menschen in entlegenen Gemeinden haben am meisten mit den knapper werdenden Wasserressourcen zu kämpfen. Es gibt immer längere Zeiträume, in denen wenig oder gar kein Regen fällt und sie erhalten nur sehr wenig Unterstützung, um über die Runden zu kommen.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft Australiens?
Simpson: Es muss dringend politisch gehandelt werden. Ich würde es begrüßen, wenn „grüne“ Energien die Kohlekraftwerke ersetzten. Außerdem müssen neuartige Pflanzenspezies besser kontrolliert und einheimische Arten gepflanzt werden, damit unsere Tiere ihren natürlichen Lebensraum behalten.
Wie wird sich das Land verändern, wenn nichts bezüglich der Folgen des Klimawandels getan wird?
Simpson: Die Umwelt und die Tierwelt werden weiter absterben, was wiederum Konsequenzen für das Klima hat. Wenn das Klima sich erhitzt, wird es immer schwieriger für die Bäume. Ich will gar nicht daran denken, was das bedeutet. (wag)
Kangaroo Island: Auf der Insel starben 80 Prozent aller Koalas
Die verheerenden Feuer in Australien haben gut 11 Millionen Hektar Land verwüstet, ein Gebiet von knapp einem Drittel der Größe Deutschlands. Eine Tragödie, nicht nur für die Menschen. Laut Schätzungen sind hunderte Millionen Tiere durch die Feuer getötet worden. Auch zehntausende Koalas sind den Flammen zum Opfer gefallen. Auf Kangaroo Island versucht man verzweifelt, den überlebenden Tieren zu helfen.
(Quelle: tagesschau)
Klimawandel in Australien: So leidet „Down Under“
Ein ausführlicher Hintergundbericht, eine interaktive Karte und ein exklusives Video-Interview mit Abenteurer und Radfahrer Maximilian Semsch von „What A Trip“, der 2012 einmal um den fünften Kontinent radelte.