Nass und frei

Von Christiane Vopat und Rainer Peter (Fotos)

Schwimmen macht glücklich: Im Wasser ist der Mensch wie schwerelos, die Gedanken fließen. Während Freibäder im Sommer überquellen, sind Badeseen für Schwimmer perfekt.

Der Willersinnweiher am Rand der kleinen pfälzischen Großstadt Ludwigshafen am Rhein ist ein Paradies. Hinter den Wipfeln riesiger Pappeln ragen Schlote einer Chemiefabrik in den Himmel. Sie erinnern den Schwimmer daran, dass er nicht im Urlaub ist. Eine kleine Gruppe Frauen und Männer im mittleren Alter hat sich an einem weißen Campingtisch direkt am Badesteg ausgebreitet: Handtücher liegen bereit, auf dem Tisch stehen Getränke. Das Schwimmtraining im Weiher kann starten. Die Frauen haben ihre einfarbigen Einteiler schon übergestreift. Fast alle tragen eine Badekappe, die Schwimmbrillen kleben auf Stirnhöhe. Zwei Männer zwängen sich mühevoll in Neoprenanzüge. Beim Schließen der Reißverschlüsse am Rücken brauchen sie Hilfe.

Der Badesee ist rund 17 Hektar groß, teils über 20 Meter tief. Die Europäische Union hat die Wasserqualität als „ausgezeichnet“ bewertet. Sonst würden sich auch die Karpfen, Hechte und Schleien nicht pudelwohl fühlen. Nicht zu vergessen etliche Blesshühner, Enten und ein Schwanenpaar mit vier Jungen. Nach vielen heißen Tagen im Frühjahr hat der Weiher schon über 21 Grad. Jedenfalls an der Oberfläche. Eine gute Temperatur fürs sportliche Schwimmen. Neoprenanzüge sind nur noch für ambitionierte Ausdauerschwimmer nötig, die für Wettkämpfe im Freiwasser trainieren. Für eine Runde um den kleinen Badesee brauchen etwas geübte Sportler eine gute halbe Stunde: eine lockere Trainingseinheit am Feierabend.

Die Gruppe gleitet 20 Meter vom Ufer am Ende des breiten Badestegs über eine Leiter aus Edelstahl ins Wasser. Die Frauen und Männer kraulen gemütlich los. Der Schwimmer an der Spitze zieht ein leuchtend orangefarbenes Luftkissen hinter sich her, das wie eine kleine Boje auf der Wasseroberfläche wippt.

Bald ist das Team draußen auf dem See. Jeder schwimmt sein Tempo, der eine gibt mehr Gas, die andere wechselt vom Kraul- zum gemütlicheren Brustschwimmen. Der Rhythmus ist bei allen identisch: Einatmen beim Auftauchen, die Luft aus den Lungen pusten beim Untertauchen. Bis auf den Grund des Weihers können die Schwimmer dabei nicht sehen. Wie ein dichter grüner Nebel wirkt das Weiherwasser durch die Schwimmbrillen. Nach ein paar Zügen richten die Freizeitsportler ihren Blick ans andere Ufer, um im Trüben die Orientierung nicht zu verlieren.

Es geht eine Weile immer geradeaus ­- ohne eine Wende. Und ohne dass andere Schwimmer, Aquajogger oder tobende Kinder dem kleinen Team in die Quere kommen, wie an warmen Tagen in überfüllten Freibädern üblich. Am anderen Ufer schwimmt die Gruppe eine sanfte Volte. Halbzeit. Gegen eine sanfte Strömung und winzige Wellen geht es dann wieder zurück an den Badestrand.

Einer nach dem anderen findet sich auf Höhe der Edelstahlleiter am Badesteg ein. Schwimmbrillen und Badekappen werden mit einem entspannten Lächeln abgezogen. Über den Stuhllehnen liegen schon die Handtücher. Nicht zu vergessen die Getränke.

Die beiden Männer in den Neoprenanzügen schwimmen noch eine zweite Runde.

Die schönsten Badeseen in Deutschland

Chiemsee (Bayern)

Der Chiemsee misst knapp 80 Quadratkilometer ist damit der größte See in Bayern. Daher wird er auch das Bayrische Meer genannt. Stellenweise ist der Chiemsee über 70 Meter tief. Empfehlenswert sind die Strandbäder Chiemseepark in Seebruck und Übersee-Feldwies. Auf dem Areal des rund 40.000 Quadratmeter großen Freizeitgeländes ist der 800 Meter lange Naturstrand ein Highlight.

Wannsee (Berlin)

Der Große Wannsee in Berlin ist streng genommen gar kein See, sondern eine üppige Ausbuchtung der Havel. Er ist knapp 2,8 Quadratkilometer groß und bis zu neun Meter tief. Seit mehr als einem Jahrhundert ist das Strandbad Wannsee im Sommer für viele Berliner ein Lieblingsplatz. Der Sandstrand mit Strandkörben ist über einen Kilometer lang.

Schluchsee (Baden-Württemberg)

Der größte See im Schwarzwald ( 5 Quadratkilometer) ist teils über 60 Meter tief. Der Stausee befindet sich auf 930 Meter Höhe. Fast das gesamte Ufergebiet ist für Schwimmer gut zugänglich. Ursprünglich war der Schluchsee ein Gletschersee.

Edersee (Hessen)

Der Edersee liegt 50 Kilometer entfernt von Kassel und misst 11,8 Quadratkilometer. Er ist einer der größten Stauseen in Europa und der drittgrößte Stausee in Deutschland. Die Staumauer ist etwa 48 Meter hoch. Schöne Strände haben das Strandbad Waldeck und die Nieder-Werber-Bucht. Der Edersee misst 11,8 Quadratkilometer.

Halterner Stausee (Nordrhein-Westfalen)

Der gut drei Quadratkilometer große Halterner Stausee liegt am südlichen Rand des Münsterlands. Er hat ein Fassungsvermögen von 20,5 Millionen Kubikmeter und staut die Stever, einen Zufluss der Lippe und den Halterner Mühlenbach. Für über eine Million Menschen im Ruhrgebiet und im Münsterland ist der Stausee ein Trinkwasserreservoir. Erbaut wurde der Halterner Stausee im Jahr 1930, aber erst 1972 auf sein jetziges Fassungsvermögen vergrößert. Das Strandbad hat einen fast einen Kilometer langen Sandstrand.

Großer Plöner See (Schleswig-Holstein)

Mit einer Fläche von knapp 3000 Hektar ist der Große Plöner See in der Holsteinischen Schweiz ein Paradies für viele Wassersportler. Stellenweise ist der See über 50 Meter tief. Das Badegewässer zählt zu den zehn größten Seen in  Deutschland. Schwimmer sind am besten an den großen Stränden in Bosau, Plön und Godau aufgehoben.

Steinhuder Meer (Niedersachsen)

Mit einer Fläche von über 29 Quadratkilometern ist das Steinhuder Meer in der Nähe von Hannover der größte See im Nordwesten Deutschlands. Das Gewässer ist flach: Die maximale Tiefe liegt bei nur knapp drei Metern. Der große Badestrand „Weiße Düne“ befindet sich am Nordufer in Mardorf. Er ist von Kiefern und Erlen umsäumt.

Bleilochtalsperre (Thüringen)

Die Bleilochtalsperre im Thüringischen Schiefergebirge, etwa 50 Kilometer südwestlich von Gera, ist mit einer Länge von 28 Kilometern und einem Fassungsvolumen von 215 Millionen Kubikmetern Deutschlands größter Stausee. Eine 65 Meter hohe und 205 Meter lange Mauer staut die Saale. Die Talsperre wurde zwischen 1926 und 1932 errichtet. In Saalburg-Ebersdorf gibt es zwei offizielle Badestellen: das Strandbad am Pöritzscher Ufer sowie die Bade- und Surfwiese am Stadtrand. Weitere Badestellen befinden sich unter anderem bei Zoppoten, in der Remptendorfer Bucht und bei Kloster.

 

Frank Fischer: Man kommt in einen Flow

Der 53-jährige Lehrer aus Ludwigshafen am Rhein in Rheinland-Pfalz ist seit 1986 aktiver Triathlet. Frank Fischer hat acht Langdistanzrennen absolviert und ist seit zehn Jahren 1. Vorsitzender des Ludwigshafener Schwimmvereins 07. Er ist kein Beckenschwimmer. Im Sommer trainiert der Sportler am liebsten im Ludwigshafener Willersinnweiher.

Jürgen Hilberath: Auf Hawaii mit Fischen geschwommen

Jürgen Hilberath (52) aus Heidelberg liebt das Freiwasserschwimmen und ist dafür schon bis nach Hawaii geflogen. „Dort allerdings musste ich mich erst an die Fische gewöhnen, die um einen herum sind – die erste Begegnung war kein gutes Gefühl.“ Jedoch: „Mit jedem Armzug wurde es besser.“ Jürgen Hilberath zählt zu den Veranstaltern des BASF Triathlon-Cups Rhein-Neckar in der Metropolregion Ludwigshafen/Mannheim/Heidelberg.

Gerade hat der 52-Jährige verschiedene Neoprenanzüge getestet. Diese sind für 400 bis 800 Euro zu haben. Sie gehören nicht zur Grundausrüstung von Schwimmern, betont Hilberath. Vielmehr werden sie in erster Linie von Sportlern benutzt, die Wettkämpfe im Freiwasser schwimmen. „Drei Eigenschaften dieser zweiten Schwimmhaut sind wichtig“, sagt der Schwimmer: die Dicke des Neoprens, die Flexibilität und der Auftrieb, der den Schwimmer schneller vorankommen lässt. Die Grundidee des Neoprens sei jedoch nicht das Tempo gewesen, sondern der Kälteschutz, berichtet Hilberath.

Was sollten Schwimmer im Badesee beachten?

  1. Immer eine auffällige Badekappe tragen. Dann wird man anderen Wassersportlern besser gesehen.
  2. In einer Gruppe oder mit Beiboot schwimmen.
  3. Aufblasbare Markierungsbojen an die Hüfte binden.
  4. Von Zeit zu Zeit Rückenschwimmen, um Gefahren von hinten rechtzeitig zu erkennen.
  5. Für längere Etappen: Wasserdichtes Sicherheitspäckchen mit Notfalltelefonnummern und etwas Geld in die Badehose stopfen.
  6. Nur gute Schwimmer sollten ins Freiwasser gehen.
  7. In deutschen Badeseen gibt es keine Tiere und Pflanzen, die Schwimmern Angst machen müssten.
  8. Neoprenanzüge können auf längeren Strecken vor Auskühlung schützen.
  9. Markante Punkte am Ufer zur Orientierung nutzen.
  10. Eine getönte Schwimmbrille schützt vor Spiegelungen und UV-Strahlen.

Eine kleine Geschichte des Freiwasserschwimmens

Menschen haben immer schon offene Gewässer durchschwommen: weil sie es mussten, aber auch zum Vergnügen. Etwas aus der Mode gekommen ist das Freiwasserschwimmen, als im vergangenen Jahrhundert viele Hallen- und Freibäder eröffnet wurden.

Zum Extremsport wurde das Freiwasserschwimmen im August 1875. Der 27-jährige Matthew Webb schwamm damals erstmals durch den Ärmelkanal. Statt der eigentlich 32 Kilometer legte der englische Kapitän über 70 zurück, weil er Seegang und Strömung falsch berechnet hatte. Webb war über 21 Stunden im Wasser.

Am 6. August 1926 durchschwamm Gertrude Ederle als erste Frau den Ärmelkanal zwischen Cap Gris-Nez und Dover. Sie benötigte dafür 14 Stunden und 32 Minuten und war damit über zwei Stunden eher am Ziel als der bisherige männliche Weltmeister.

Auch das deutsch-dänische Pendant, die Querung des Fehmarnbelts (25 Kilometer) in der Ostsee, zählt zum Langstreckenschwimmen. Die erste erfolgreiche Beltquerung schaffte der Fehmarner Karl-Heinz Rauert im Juli 1939.

Otto Kemmerich (1886-1952) stellte in den 1920er-Jahren viele Rekorde an Nord- und Ostsee auf.

Christof Wandratsch (51) schwamm verschiedene Weltrekorde, auch bei der Überquerung des Ärmelkanals.

Ein weiterer deutscher Weltrekordhalter ist Bruno Dobelmann (59), der auch unter dem Spitznamen „Orca“ bekannt ist. Er durchquerte den Fehmarnbelt (Ostsee) als erster Mensch zweifach. Das entspricht einer Distanz von 50 Kilometern.

Der Ägypter Abdellatif Abuhif (1929–2008) wurde im Jahr 2001 zum Marathonschwimmer des Jahrhunderts gewählt. Zwischen 1953 und 1972 absolvierte er etwa 70 internationale Wettbewerbe und durchquerte dreimal den Ärmelkanal.

Nicky Farrugia (58) aus Malta wurde berühmt, als er 1985 als erster Mensch 87 Kilometer von Sizilien nach Malta schwamm.

Der Ultra-Langstreckenschwimmer Martin Strel (63) hat mehrere Weltrekorde aufgestellt. Der Slowene durchschwamm beispielsweise die Donau und den Amazonas.

Nathalie Pohl (23) aus Marburg durchschwamm im April 2016 die Straße von Gibraltar (15 Kilometer) in zwei Stunden und 53 Minuten und stellte damit einen neuen Rekord auf.

 

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