Herzrasen, Schweißausbrüche, Übelkeit – manche Menschen leiden beim Fliegen Höllenqualen, oft schon seit Jahren. Mit einem Seminar wollen sie ihre Angst in den Griff kriegen. Wer sind diese Menschen?
Angst ist das Gefühl, das die 13 Menschen in dem kleinen grauen Raum zusammenbringt. Während vor dem Fenster im Minutenabstand tonnenschwere Flugzeuge vorbeidonnern, füllt sich hinter dem Fenster ein weißes Flipchart mit grünen Buchstaben. „Angst vor der Enge und anderen Menschen“ steht darauf, „Angst vor dem Absturz“, „Angst, Kontrolle abzugeben“ und „Angst vor dem Herzinfarkt“.
Auf schwarzen Stühlen sitzen sie an einem Samstag am Frankfurter Flughafen in dem Seminarraum. Die Frau, die die Buchstaben schwungvoll auf das Flipchart schreibt, ist Psychologin. Sie will den 13 Menschen in zwei Tagen die Furcht nehmen, die sie alle schon seit Jahren belastet: Flugangst. So unterschiedlich dabei die Facetten der Angst sind, so unterschiedlich sind auch die Seminarteilnehmer.
Viele von ihnen sind schon einmal geflogen – und wollen es auch wieder tun. Manche erst in einem halben Jahr, manche bereits am Tag nach dem Seminar, zwölf Stunden nach Kanada. Zwölf Stunden im engen Flugzeug, ohne die Möglichkeit, einfach wieder auszusteigen.
Die meisten von ihnen haben das Seminar geschenkt bekommen, von der Ehefrau, von Freunden. Von sich aus den Schritt gewagt haben nur wenige. Doch sie alle hoffen, dass die Psychologin ihre Angst, wenn schon nicht zum Verschwinden bringen, so doch wenigstens mindern kann.
Wer sind sie?


Er ist Manager. Er trägt Verantwortung. Er hat die Kontrolle. Eigentlich. Nur in dieser einen Situation nicht.
Im Flugzeug.
Schon bevor er auch nur einen Fuß auf das Flughafengelände setzt, hat er die Angst mit Alkohol benebelt. Jeder Menge Alkohol. Zwei Promille sind nicht selten. Und er muss oft fliegen, das bringt der Job mit sich. Kaum hat er sich in den grauen Sitz des Flugzeugs gesetzt, hat der Alkohol ihn in sanften Schlaf gebettet. Für ihn die einzige Möglichkeit. Der Gedanke, bei einem tatsächlichen Flugzeugabsturz mit zwei Promille im Blut keinerlei Kontrolle zu haben, verschwindet mit dem ersten Schluck. Dann ist es sowieso egal. Doch sein Körper gewöhnt sich daran. Mit jedem Flug ist es mehr. Und er hat Frau und Kind. Er braucht eine Alternative. Er hat es mit Schlaftabletten versucht. Doch Alkohol wirkt aus irgendeinem Grund besser. Stärker. Sicherer.

Sie hat das Schlimmste selbst erlebt: Sie hat gesehen, wie ein Flugzeug abgestürzt ist. 1988 in Rammstein. 70 Todesopfer, darunter eine Schwangere. Bei einer militärischen Flugschau stießen drei Kunstflugmaschinen zusammen, eine stürzte in die Menge ab. Unter den Zuschauern war auch sie.
Danach hat sich die Angst in ihrem Kopf eingenistet, wie eine Spinne. Unnachgiebig.
Sie hat es versucht, immer wieder. Sie hat Reisen geplant, Flüge gebucht. Und einen Tag vorher alles abgesagt. Dann hat ein Seminar gegen Flugangst ihr geholfen. Sie konnte wieder fliegen.
Doch ganz weg war sie nie, die Spinne. Mit der Zeit ist sie wieder hervorgekrochen aus der Ecke, in die sie sie verbannt hatte.

Die Angst vor dem Fliegen macht ihn aggressiv. Am liebsten würde er sich prügeln. Nicht nur einmal, immer wieder. Bis die Erschöpfung sich breit macht und die Angst keinen Platz mehr hat.
Doch die Erschöpfung ist ein unzuverlässiger Freund. So schnell sie aufgetaucht ist, so schnell ist sie wieder verschwunden. Er weiß das.
Er will nicht aggressiv sein. Er hasst sich selbst dafür. In diesen Momenten fühlt er sich wie ein Statist im eigenen Leben, ohne Einfluss auf die Handlung.

Zwei Tage vor dem Flug geht es los. Jedes Mal. Sie hat keinen Appetit. Isst sie doch etwas, kotzt sie sich anschließend die Seele aus dem Leib. Ihr Herz fängt an zu stolpern, es schlägt immer unregelmäßiger, immer lauter.
Sie wird panisch. Da ist er, der eine Gedanke, der sie eiskalt packt und sie nicht mehr loslässt: Was passiert, wenn sie im Flugzeug einen Herzinfarkt bekommt?
Sie weiß, dass es auch in 10.000 Metern Höhe Menschen gibt, die ihr helfen können. Aber ein Flugzeug ist eben kein Krankenhaus. Sie hat Todesangst. Mit jeder Sekunde wird es schlimmer.
Sie sagt den Flug ab. Wie immer.

Er hat Angst vor der Enge. Vor den anderen Menschen. Vor ihrem Geruch, ihren Geräuschen, ihrer Nähe. Es sind zu viele. Er will sie nicht sehen, nicht hören, nicht berühren.
Er ist schon einmal geflogen. Für ihn war es die Hölle. Mit jeder Sekunde wurde das Flugzeug kleiner, enger, dunkler. Die Menschen lauter, dreckiger, unangenehmer. Danach ist er nie wieder geflogen.
Doch sein Leben hat sich weitergedreht. Er will heiraten. Bisher hat er nur den Teil der Erde gesehen, den der Mensch ohne Flugzeug bereisen kann. Spanien, Italien, Frankreich.
Seine Hochzeitsreise soll über den Ozean gehen.
Am zweiten Tag des Seminars steht das an, worum sich die Gedanken aller Teilnehmer nächtelang gedreht haben: Ein Flug von Frankfurt nach Berlin. Eine Stunde lang werden sie im Flugzeug verbringen, ihre Dämonen mit an Bord.
Eine kurze Nachfrage bei der Psychologin am Tag nach dem Seminar. Sind alle 13 mitgeflogen?
Fast. Eine Teilnehmerin ist dann doch lieber am Boden geblieben. Die Angst war zu groß.
Einstellung der Deutschen zum Thema Fliegen
- Haben keinerlei Angst vor dem Fliegen 32,2%
- Werden nur in Ausnahmesituationen unruhig 27,4%
- Sind noch nie geflogen, hätten aber keine Angst 20,5%
- Sind noch nie geflogen, weil sie Angst haben 8,7%
- Fühlen sich im Flugzeug unsicher und nervös 8,2%
- Haben Flugangst mit starken Angstgefühlen 3%
Quelle: statista
Was hilft gegen die Flugangst?
- Auf die eigene Atmung konzentrieren: Länger aus- als einatmen, Atmung verlangsamen
- Dehnungsübungen: Mit den Händen an die Kopfstützen fassen, die Arme abwechselnd an- und wieder entspannen, überschüssige Energie loswerden