Das Central-Park-Model

Von Martin Kreklau

Gleich am ersten Tag hat New York unsere Spontanität gefordert. Der Seminarraum, mit breiten Ledersesseln, großer Leinwand und üppigem Konferenztisch aus Mahagoni beworben wurde, ließ all das vermissen.

Es war eher eine Rumpelkammer, in die lieblos ein paar Biertische mit Samtüberwurf und einige Stühle von 1971 gepfercht worden waren. Bei der Klimaanlage hatte sich das Hotel grob am Raumnamen „Zurich“ orientiert und die Temperatur auf die Schweizer Hochalpen eingestellt. Sebastian Poliwoda zeigte sich „not amused“ und zitierte den sog. Managerin in den sog. Saal. Die gut gelaunte Ashley betonte, sich um das Problem zu kümmern, ward aber nie wieder gesehen.

Die Zustände waren untragbar, vor allem angesichts des horrenden Preises. Es musste spontan eine Alternative her – und was lag in New York City näher, als das Seminar im Central Park abzuhalten? Doch die vermeintliche Oase der Ruhe bot unerwartete Lärmquellen ungezählt. Kaum hatten die Teilnehmer auf Bänken platzgenommen, packten zwei asiatische Musikerinnen gegenüber ihr Equipment aus und beglückten mit virtuosem Querflöten-Spiel. Wieder war Poliwoda „not amused“, musste er doch jetzt gegen Schuberth und Joplin anreden.

 

Tatsächlich nahm die ABP-Delegation auch die Hürde, nur um wenig später erneut herausgefordert zu sein: Die Einzelgespräche mit Gastredner Domenico Sciurti nahmen jede Menge Zeit in Anspruch, die es zu überbrücken galt. Zum Glück gibt es den Armenier Jacob Torossian. Der dürre ältere Mann mit seinem zauseligen Bart zeichnet im Central Park die Gesichter von Touristen und war von Poliwodas einmaliger Mimik so begeistert, dass er bat, ihn kostenlos zu malen – zu Übungszwecken. Die tarnfarbene Mütze tief ins Gesicht gezogen, kippelte der Künstler wie ein nervöser Erstklässler auf einem schmalen Hocker hin und her. Nach jedem Pinselstrich schnellte er zurück und seine Hand schwang nach, als hätte jemand eine Saite angeschlagen.

Immer mehr Passanten versammelten sich, um den armenischen Maler zu bewundern. „Amazing“ – so die einhellige Meinung. Poliwoda selbst war nicht zufrieden: „Kitschig. Zu viel kaschiert, zu unecht.“ Die bescheidene Meinung des Modells. Torossian wird’s egal sein – der macht sich in zwei Wochen sowieso auf nach Moskau. In New York gehe doch eh alles bergab.

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