Im Trailer des Films „Embrace – Du bist schön“ heißt es: „91 Prozent aller Frauen hassen ihren Körper.“ Der schöne Mensch spielt in unserer Gesellschaft eine wichtige Rolle, scheint es. Vier Frauen berichten über den Umgang mit ihrem Körper und zeigen, wie es gelingen kann, sich so zu nehmen wie man ist.
In Ihrer Jugend wurde Amelie oft gehänselt. „Ich war immer so die dicke Freundin, die man einladen musste, wenn man an die gutaussehende, hübsche Freundin ran wollte“ erzählt sie. Obwohl sie mit Mobbing zu kämpfen hatte, ist sie heute Model und steht selbstbewusst zu ihren Rundungen.
Doch viele Frauen schämen sich für ihr Aussehen. Schönheit hat heute einen hohen Stellenwert. Warum das so ist erklären Maria Kraxenberger und Michaela Kaufmann vom Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik: „In unserer Gesellschaft scheint die objektive und zeitlose Schönheit eines Menschen als Garant für gesellschaftlichen Erfolg zu stehen.“
Schönheit: In jeder Epoche und Kultur anders
Eines ist jedoch auch klar: Schönheit hat in allen Epochen und Kulturen immer eine Rolle gespielt. Nur hat sich verändert, was Menschen schön finden.
In der Antike wurde Dicksein von den Spartanern verachtet und bestraft. Während des Mittelalters wurde jemand, der reichlich zu essen hatte, „als von Gott begnadet“ angesehen. Im 17 Jahrhundert waren üppigere Körperformen angesehen, was Rubens in seinen Gemälden zeigte.


„Im 18. Jahrhundert war der Begriff der Schönheit nicht zu trennen vom Begriff der Wahrheit und des Guten. Ein beliebiger Gegenstand, eine Idee oder ein Kunstwerk konnte nur dann schön sein, wenn es auch in ein prädefiniertes Wertesystem, also Vorstellungen von Moral und Sittlichkeit passte“ erläutern Maria Kraxenberger und Michaela Kaufmann.
Unser Urteil was schön ist, ist zum größten Teil kulturell geprägt. In anderen Kulturen gilt die Fettleibigkeit bei der Frau als Ausdruck von Schönheit. Der in Westafrika lebende Stamm der Calaber schickt seine jungen Mädchen in „fattening huts“ in denen sie gemästet wurden, denn nur wenn sie mollig waren, fanden sie einen guten Ehepartner.
Schönheit heute
In unserer Gesellschaft wird Schönheit mit Schlankheit und Jugend gleichgesetzt. Nicht nur in den Medien und der Werbung, sondern auch auf Social Media Plattformen wird uns gezeigt, dass makellose Schönheit wichtig ist. Auf Instagram finden sich die kuriosesten „challenges“. Beim letzten Trend, der „Paper Waist Challenge“ halten sich junge Frauen ein Blatt Papier vor die Taille um zu zeigen, dass ihr Umfang nicht größer als ein DinA4 Blatt ist. Auch „body shaming“, also die Scham vor dem eigenen Körper, oder schlimmer, das Kritisieren Anderer, ist in unserer Gesellschaft angekommen. Erst kürzlich beleidigte die Zeitschrift „Inside“ prominente Frauen für ihr Aussehen mit den Worten „Schenkelschande“, „Dellen-Drama“ und „Wabbelwellen“.
Sind wir mit unserer Vorstellung von Schönheit wieder in der Antike angelangt?
Was ist Schönheit? Sieben Münchner berichten.
Bodyshaming vs. Body Positivity
Auf den ersten Blick scheint es so. Aber es gibt eine Gegenbewegung. Unter dem Hashtag #loveyourlines und #stopbodyshaming oder #liebedeinenkörper melden sich immer mehr Frauen zu Wort, die sich zu ihrem Körper bekennen und dies auf Social Media Plattformen ausdrücken. Und immer mehr Firmen ziehen nach. Die Marken Nike und Dove entwickelten spezielle Kampagnen und Mattel hat erst kürzlich Barbies auf den Markt gebracht, die für mehr Diversität stehen sollen, darunter auch dicke Puppen. Und weibliche Promis – sei es Beyoncé, Niki Minaj oder Kim Kardashian – zeigen ihre Rundungen schon länger selbstbewusst.
Eine Frau die ebenso selbstbewusst zu ihrem Körper steht ist Kerstin Luhr. Die Komikerin und Buchhändlerin aus Freiburg bringt im Herbst ihr erstes Soloprogramm „Ich bin dann mal fett“ auf die Bühne. In ihrem Programm nimmt sie sich selbst auf die Schippe. Weil sie findet, dass jeder über sich selbst lachen können soll. Sie sagt: „Ich finde man sollte sich einfach so lieb haben, wie man ist.“

Dass das nicht einfach ist, kann Amelie berichten. Amelie Heiler, Rosalie Schlagheck und Malene Becker sind big-size Models bei einer Agentur in München und hatten mal mehr, mal weniger mit Mobbing zu tun.
„Als ich auf der Realschule war, war ich ein sehr kräftiges Kind, so mit 12, da bin ich von den Jungs gehänselt worden.“ erzählt Amelie. Und ihre Freundin Malene fügt hinzu: „Ich wurde nie gemobbt, aber ich selbst war immer mein größter Kritiker“.
Selbstbewusste Vorbilder
Dennoch sind alle drei heute Models – big-size Models, die selbstbewusst zu ihrem Körper stehen. Wie haben sie es geschafft, so selbstbewusst zu werden? Für Amelie war ihre Mutter ihr größtes Vorbild: „Meine Mutter hat Größe 42, ist eine eher stämmigere Frau. Aber sie hat mir von klein auf beigebracht, dass es in Ordnung ist, genau so auszusehen, wie man aussieht. Sie hat mir beigebracht, meinen Körper zu lieben – so, wie er ist“. Für Rosalie sind Youtuber und Menschen, die sie bestärken wichtig. „Das sind Leute, die mir sagen oder die von sich aus sagen, wenn man sich selber gut findet, so wie man ist, dann hat man schon viel getan“.
Wer bestimmt, was schön ist? Die Medien, die Gesellschaft oder Kultur, die Freunde, die Familie, die dicke oder dünne Frau? „Immanuel Kant definierte in seiner Kritik der Urteilskraft (1790) das Schöne als „interesseloses Wohlgefallen“ und verortet das Urteilen darüber nicht als Frage der Erkenntnis, sondern als ein Geschmacksurteil, das „mithin nicht logisch, sondern ästhetisch“ gefällt wird“.

Für Amelie ist es einfach: „Für mich kommt Schönheit immer von innen. Mir ist es egal, wie der Mensch aussieht. Hauptsache ich weiß, es ist ein Mensch, der versucht, tolerant zu sein. Der versucht, respektvoll und warmherzig zu sein.“
Schönheit ist am Ende nichts, was man logisch begründen oder erfassen kann. Schönheit ist eine Glaubensfrage. Man kann sich schämen oder glauben, dass man wunderbar geschaffen ist oder wie Kerstin Luhr es ausdrückt: „Niemand sollte sich für seinen Körper schämen – egal ob er total dünn ist oder total dick – und niemand hat das Recht jemand anderen dafür zu kritisieren.“
Und wenn man sich manchmal schwer tut, an die eigene Schönheit zu glauben: Es hilft sich das jeden Tag aufs Neue zu sagen. „Auf all meinen Spiegeln in meiner Wohnung steht, „I’m enough“ mit Lippenstift drauf. Denn manchmal vergesse ich das einfach, dass ich nicht reiche und dann sehe ich das und dann denke ich mir: Ja, du bist genug und es ist gut so, wie du bist“ sagt Amelie.
- Die Nanas „Sophie“, „Caroline“ und „Charlotte“ am Leibnizufer in Hannover, Lizenziert nach CC BY-SA 3.0, Juergen G.
- Nana-Engel im Zürcher Hauptbahnhof, Lizenziert nach CC-BY-SA 4.0, JoachimKohlerBremen
- Peter Paul Rubens, Ankunft der Maria de‘ Medici in Marseille
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