Klimawandel in Australien: So leidet „Down Under“
Von Nicole Wagner
Kein politisches Umdenken in Sicht
Wälder brennen, Korallen bleichen aus, Tiere sterben: Wie Australien unter dem Klimawandel leidet
Australien ist das Land der Koalas, Kängurus und Korallen. Mittlerweile verbindet man den Kontinent allerdings auch mit Buschbränden, ausgebleichten Riffen und einer desaströsen Klimapolitik. „The Land Down Under“ ist das momentan wohl prominenteste Opfer der globalen Erwärmung.
Kristallblaues Wasser, farbenfrohe Korallen, Hunderte bis Tausende unterschiedliche Fischarten – das erwarten Touristen am berühmten Great Barrier Reef, das sich über knapp 2.300 Kilometer entlang der australischen Ostküste erstreckt. Statt einem bunt schimmernden Riff sehen sie heute häufig Korallen, die abgestorben wirken. Die dominierenden Farben sind Braun, Grau und Dunkelgrün. Eine Folge der Korallenbleiche, eines natürlichen Prozesses, der sich regelmäßig vollzieht und von dem sich die Korallen wieder erholen können. Dank der steigenden Durchschnittstemperatur des Pazifiks tritt die Bleiche allerdings häufiger auf, die Korallen haben immer weniger Zeit, sich zu regenerieren. Der natürliche Lebensraum vieler im Riff lebender Fischarten wird dadurch immer kleiner.
Eine Folge des globalen Klimawandels, der Australien hart trifft. Der kleinste Kontinent der Erde hat gleich mit mehreren Auswirkungen der ansteigenden Temperaturen zu kämpfen. Neben den Korallen und Fischen am Great Barrier Reef werden vor allem die Pflanzen und Tiere des australischen Buschs zum Opfer des sich verändernden Weltklimas. Seit Monaten brennt es in Australien. Die Regierung handelt zögerlich. Und das, wo „Down Under“ doch vor allem für zwei Dinge bekannt ist – vielfältige Ökosysteme und eine einzigartige Tierwelt.
Was „Down Under“ passiert, steht auch anderswo bevor
Knapp eine Milliarde Tiere sollen im australischen Sommer bisher durch die verheerenden Buschbrände gestorben sein. Wissenschaftler Chris Dickman von der Universität in Sydney sieht das, was auf dem australischen Kontinent durch den Klimawandel ausgelöst wird, als Modell für zukünftige Ereignisse in anderen Teilen der Welt. „Manchmal wird Australien als der Kanarienvogel in der Kohlemine bezeichnet, da die Effekte des Klimawandels hier in ihrem schlimmsten Ausmaß und zum frühesten Zeitpunkt beobachtet werden“, erklärte Dickman im Januar dem amerikanischen Radiosender NPR. Nichts sei mit der Verwüstung zu vergleichen, die sich durch die anhaltenden Buschfeuer so schnell auf eine dermaßen große Fläche ausgedehnt hat.
Die Auswirkungen immer heißer werdender Sommer und steigender Meerestemperaturen zeigen sich immer mehr in der schrumpfenden Vielfalt der australischen Tierwelt. Laut Chris Dickman hat Australien bereits seit längerem „die weltweit höchste Aussterberate bei Säugetieren“. Mit jeder Naturkatastrophe steige sie weiter an. Neben den Buschbränden, die dank steigender Emissionen und Temperaturen an Häufigkeit zunehmen, stellte der australische Klimarat kürzlich weitere Folgen der Klimaveränderung fest. Besonders verheerend wirken sich sogenannte Unterwasserhitzewellen aus. Am nördlichen Ende des Great Barrier Reefs sorgten sie bereits dafür, dass knapp 99 Prozent der geschlüpften Grünen Meeresschildkröten weiblich sind. Die Zukunftsaussichten der Spezies sind somit düster. Neben der zu hohen Meerestemperatur hinterließ 2017 auch der Zyklon Debbie Spuren der Verwüstung im Riff vor der Küste des Bundesstaates Queensland. Nur zwei Jahre zuvor hatte der tropische Wirbelsturm Nathan den Korallen und der Küste bereits schwer zugesetzt. Dank des globalen Klimawandels entstehen immer häufiger solch schwere Stürme über den Weltmeeren.
„Es ist eine sehr traurige Zeit“, kommentiert Chris Dickman die aktuellen Entwicklungen in seiner Heimat. Er fühlt sich von der Politik ausgeschlossen und denkt, es sei Zeit, „die Wissenschaftler zurück ins Zelt“ zu holen und darüber nachzudenken.
Der „schwarze Sommer“ ändert politisch nicht viel
Die Wahrscheinlichkeit, dass die Verantwortlichen in der Hauptstadt Canberra im Sinne der Wissenschaft auf derart dringliche Appelle reagieren, ist auch nach dem „schwarzen Sommer“ in Australien gering. Premierminister Scott Morrison, der den Begriff nach einem Bericht der „Frankfurter Rundschau“ benutzte, um nach der Eindämmung der Feuerkatastrophe Bilanz zu ziehen, hält an seiner Klimapolitik fest. Im Rahmen des Pariser Klimavertrages sicherte der fünfte Kontinent zu, seine Emissionen bis 2030 um 26 bis 28 Prozent zu reduzieren. Um die globale Erderwärmung auf 1,5 Grad zu beschränken, hätte die Regierung Morrison allerdings eine Reduktion um 44 bis 61 Prozent (auf Basis der Emissionszahlen des Jahres 2005) zusagen müssen. Laut der „FR“ will sich die politische Führung zudem „alte CO2-Gutschriften über 367 Millionen Tonnen aus der Übererfüllung von Zielen aus dem Kyoto-Protokoll für den Paris-Vertrag gutschreiben lassen.” Ein klassischer Buchhaltertrick, weiß die Tageszeitung.
Die Politiker im ACT, dem Australian Capital Territory, verfolgen bisher zudem nicht das Ziel, die Wirtschaft zum Wohle der Umwelt zu reformieren. Während in anderen Teilen der Erde ein Umstieg auf „grüne Energien“ forciert wird, baut Australien weiter fossile Brennstoffe ab. Das Land gilt als Kohleexporteur Nummer Eins, baut in Queensland unweit einzigartiger Ökosysteme gerade die umstrittene neue Carmichael-Mine, für deren Bahnstrecke auch das deutsche Unternehmen Siemens trotz mehrmaliger Proteste Signalmittel liefern will. Die Kohle-Lobby „Down Under“ ist mächtig, Kritik weist sie stets ab. Die Begründung, weshalb das Land kein Umdenken anstrebt: Wenn Australien keine Kohle mehr exportiert, tun es andere Länder.
Ein Drittel Deutschlands verbrannt
Die Bilanz des australischen Sommers 2019/2020 ist erschreckend. Den unzähligen Feuerherden, die teilweise bis heute weiter lodern, sind insgesamt bisher knapp 12,5 Millionen Hektar Wald und Busch zum Opfer gefallen. Das entspricht etwa einem Drittel der Fläche Deutschlands. Es starben eine Milliarde Tiere und 34 Menschen, rund 3.000 Häuser brannten nieder. Die Feuerwalzen produzierten geschätzte 434 Millionen Tonnen an Treibhausgasen. Das entspricht ungefähr der Menge, die Australien normalerweise in einem ganzen Jahr ausstößt. Dem Great Barrier Reef prophezeihen Forscher bereits seit Längerem eine düstere Zukunft. Seit 2016 starb dort durch die Erwärmung des Meeres und tropische Stürme knapp die Hälfte aller Korallen. Der australische Forscher Terry Hughes verglich die Korallenbleiche am Riff dem “Tagesspiegel” zufolge mit den Buschbränden an Land. Man verliere vereinfacht ausgedrückt “Korallen statt Bäume”.
Der Bevölkerung Australiens wird die Klimaveränderung langfristig gesehen ebenfalls immer weiter zusetzen, da sind sich 446 Wissenschaftler sicher. Gemeinsam verfassten sie Anfang Februar einen Appell, der sich an die Regierung in Canberra richtet und einen Wandel der Klimapolitik fordert. Darin verweisen die Experten darauf, dass sich der Klimawandel bereits heute schneller vollzieht, als sie selbst noch 2017 vorhergesagt hätten. So hätte die Menschen in einem Vorort der Millionenmetropole Sydney im vergangenen Dezember bereits mit Temperaturen von 48,9 Grad gekämpft, obwohl Schätzungen vor drei Jahren davon ausgegangen waren, dass die 50-Grad-Marke dort und in Melbourne erst 2040 durchbrochen würde. Premierminister Scott Morrison und seine erst im Mai wiedergewählte Regierung aus Liberaler und Nationaler Partei zeigten sich bisher nicht beeindruckt von diesen Fakten. Einziger Lichtblick: Der zunehmende öffentliche Druck durch die mit den privaten und wirtschaftlichen Folgen des Klimawandels kämpfende Bevölkerung. Er hat bisher immerhin dazu geführt, dass Morrison den Klimawandel als solchen nicht mehr leugnet. Der einzigartigen Flora und Fauna Australiens hilft das allerdings wenig. (wag)
Manchmal wird Australien als der Kanarienvogel in der Kohlemine bezeichnet, da die Effekte des Klimawandels hier in ihrem schlimmsten Ausmaß und zum frühesten Zeitpunkt beobachtet werden.
Chris Dickman
University of Sydney

Traumziel vor der Ostküste Australiens: Von oben sind dem Great Barrier Reef die Schäden durch den Klimawandel kaum anzusehen.

Die friedfertigen Koalas werden häufig zum Opfer von Buschbränden.

Knapp 12,5 Millionen Hektar Wald und Busch sind im Sommer 2019/20 abgebrannt.

Der Anblick von farbenfrohen lebendigen Korallen könnte am Great Barrier Reef bald der Vergangenheit angehören.

Zyklon Debbie hinterließ 2017 auch auf den Whitsunday Islands eine Schneise der Verwüstung. (Bildquelle: Oliver Erichson)

Von Umdenken keine Spur: Die australische Regierung setzt weiterhin auf den Bau neuer Kohleminen.

Die Feuerwalzen des vergangenen Sommers produzierten geschätzte 434 Millionen Tonnen Treibhausgase.

Die Millionenmetropole Melbourne im Bundesstaat Victoria versank dank der unzähligen Feuerherde in dichtem Rauch.
Abenteurer Maximilian Semsch: „Da blutet schon das Herz“
Maximilian Semsch ist hauptberuflich Abenteurer. 2012 radelte der gebürtige Münchner in 187 Tagen einmal um Australien und veröffentlichte im Anschluss die Dokumentation „What a Trip – Around Oz“. Im Interview mit Nicole Wagner erzählt der Radfahrer, wie ihn die verheerenden Buschbrände berühren.
Augenzeugen berichten
Peter Grace (56) arbeitete über 20 Jahre lang im Bundesstaat Queensland und beobachtete dort deutliche Veränderungen am Great Barrier Reef.
Mish Simpson (34) gründete 2018 die Hilfsorganisation Southern Koala Rescue im Bundesstaat Victoria und sah die Folgen der Buschfeuer aus nächster Nähe.
Bildquelle: Peter Grace / Mish Simpson

