Ein LichtBlick: Altersarmut in München

Vom Lebensabend in Armut und wie ein kleiner Verein tausende Leben bereichert

Von Kris Wallburg

Den Lebensabend in Würde verbringen, das wünscht sich jeder. Doch Altersarmut wird ein immer größeres Problem. Viele Senioren schämen sich für ihre Abhängigkeit von staatlichen Hilfen. Nicht zuletzt leidet das Sozialleben an den minimalen finanziellen Mitteln. Der Verein „LichtBlick Seniorenhilfe e.V.“ kämpft dagegen an. 

Die LichtBlick Seniorenhilfe befindet sich im Erdgeschoss eines unauffälligen Mehrfamilienhauses, direkt am Mariahilfplatz in München. Durch zwei selbstöffnende Türen kommt man, wie durch eine Schleuse, in die unscheinbaren Büroräume. Stolz präsentiert LichtBlick-Mitarbeiterin Sabrina Witte die geräumige, behindertengerechte Toilette. Acht festangestellte Mitarbeiter arbeiten in vier Büroräumen. Außerdem unterhält der Verein Büros in Münster und Deggendorf.

Rentner erhielten 2014 Grundsicherung in München

München: Arm in der Stadt der Reichen

Von den drei Büros aus werden über 12.000 Senioren unterstützt, deren Rente kaum zum Leben ausreicht. Die Gefahr der Altersarmut macht auch vor der bayrischen Landeshauptstadt München nicht Halt. Die Quote der Armutsgefährdeten ist in der bayrischen Landeshauptstadt wesentlich höher als im deutschen Durchschnitt.

Patricia über Scham bei armutsgefährdeten Rentnern

Altersarmut: „Sind doch selber schuld“

Wer arm ist, hat Anspruch auf gesetzliche Hilfen. Deswegen ist das Leben in Armut selbst verschuldet, das ist die gängige Meinung. Sie haben bestimmt auch schon mal den Spruch gehört „In Deutschland muss niemand auf der Straße schlafen“. Das Sozialsystem fange jeden auf, solange man dazu bereit ist. Dennoch beziehen nur die Hälfte all jener, die aufgrund ihrer finanziellen Situation Anspruch darauf hätten, Sozialleistungen.

Darauf angesprochen erzählt mir Sabrina: „Die Rolle des Bittstellers ist ein wesentlicher Grund, warum viele Senioren sich nicht trauen, Hilfen zu beantragen. Sie versuchen dann lieber mit der kleinen Rente, die sie haben, klarzukommen. Stattdessen sparen sie an allen Ecken und Enden, um irgendwie über die Runden zu kommen.“

Ein Umzug ist nicht nur ein Wohnungswechsel

In vielen Fällen haben die Betroffenen ihr Leben lang gearbeitet und müssen trotzdem mit einer Rente auskommen, die unter der Armutsgrenze liegt. Ab einem durchschnittlichen monatlichen Einkommen von unter 838 Euro ist es möglich, eine Grundsicherung zu beantragen. Die Armutsgrenze in Deutschland lag 2017 für eine allein lebende Person bei 1064 Euro.  Zum Vergleich: Eine 40 m2  Wohnung in München kostete im selben Jahr durchschnittlich rund 900 Euro Miete. Am günstigsten wohnt es sich mit einem alten Mietvertrag. Seit 2011 stiegen die Mietpreise im Schnitt um 60 Prozent. Je nach Stadtteil können es auch 100 Prozent sein. Vermieter können zwar nicht einfach Mieter mit älteren Mietverträgen auf die Straße setzen, aber dafür die Mietpreise in Schritten an den neuen Mietspiegel anpassen. Im schlimmsten Fall bedeutet das für von Altersarmut gefährdete Senioren: Umziehen.

Doch ein Umzug ist nicht einfach nur der Wechsel der Wohnung. Das weiß auch Sabrina: „Für unsere Senioren sind Umzüge besonders schlimm, da sie die Betroffenen aus dem gewohnten Umfeld reißen. Und auf einmal sitzt man dann in irgendeinem Hochhaus, wo man den direkten Nachbarn an der nächsten Tür nicht kennt.“ Dabei ist gerade Isolation eines der stärksten Probleme bei LichtBlick. Und wo der Verein die vielleicht wichtigste Arbeit leistet. Aufgrund ihrer finanziellen Situation können viele Senioren nicht am gesellschaftlichen Leben teilhaben. Einfach mal einen Kaffee trinken zu gehen, ins Theater oder in ein Restaurant, das geht nur mit einem Mindestmaß an finanziellen Spielraum. Gerade in München, wo nicht nur die Mieten, sondern auch die Lebenshaltungskosten immer weiter steigen.

 

„Alleine könnte ich heute gar nicht mehr leben.“

Emil F.
Rentner
Im LichtBlick-Magazin

Isolation: Armut macht einsam

LichtBlick geht das Problem direkt an. Regelmäßig veranstaltet der Verein Veranstaltungen für die Senioren. Vom Spieleabend bis zum Konzertbesuch. Finanziert werden die Aktionen durch Spendengelder. Für die Teilnehmer sind diese Ausflüge ein Highlight. Es ist nicht nur ein Ausbruch aus dem Alltag, vor allem ist der Kontakt mit Gleichgesinnten für die Senioren extrem wertvoll. Bei LichtBlick finden sich Menschen in ähnlichen Lebenssituationen. Es gibt keinen Grund, sich zu schämen, wenn der Gegenüber sich in der gleichen Lage befindet. Über eine Veranstaltung von LichtBlick fanden sich auch vier gebürtige Münchner, alle mit einem schweren Schicksal. Georg sitzt im Rollstuhl, Günter kämpft mit Depressionen, Emil ist fast blind und Wolfgang verlor durch eine schwere Krankheit seine Firma. Bevor sich die Rentner bei LichtBlick trafen, waren sie alleine. Inzwischen schauen sie für aufeinander. Sie treffen sich regelmäßig zum Plaudern, Kaffee trinken und unterstützen sich wo sie können. „Alleine könnte ich heute gar nicht mehr leben“ erzählt Emil.

Einsamkeit und Armut hängen eng zusammen. Eine Studie der Universität Hamburg hat festgestellt, dass in Armut geratene Menschen seltener Freunde besuchen und Besuch empfangen. Und gerade im Alter sind immer mehr Menschen von Armut bedroht. Ein Indiz dafür ist die Grundsicherung. In Bayern hat sich die Anzahl von Empfängern über 65 Jahre zwischen 2003 und 2014 um 75 Prozent erhöht. Und in München ist die Quote nochmal höher als im bayerischen Durchschnitt. Ich spreche mit Patricia Kokot, eine weitere Mitarbeiterin: „Ein erster Schritt gegen die Altersarmut wäre, wenn alle in die Rentenkasse einbezahlen, vor allem auch die Beamten. Das wäre schon mal ein erster, guter Schritt.“

Einige wenige Menschen bei LichtBlick schaffen es, die Lebensqualität von tausenden Menschen zu verbessern. Möglich wird das nur durch Spenden. Das verdeutlicht auch Sabrina nochmal: „Jede Spende zählt. Von kleinen Beträgen von Privatpersonen bis zu unseren Großspendern. Alles kommt an. Und all unsere Arbeit ist nur möglich, weil uns so viele Menschen unterstützen.“

Sie wollen auch die LichtBlick Seniorenhilfe e. V. unterstützen. Informationen finden Sie hier. 

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